Freitag, 17. April 2015

BGH: Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit der Übernahme von kurzen Musiksequenzen als Hintergrund-Loops für Rap-Stücke

"Samplings", "Loops" und vergleichbare Snippets beschäftigen immer wieder die Gerichte. Die Fälle sind sich meist recht ähnlich.

Im vorliegenden Fall handelte es sich bei den Klägern um Mitglieder der französischen Gothic-Band "Dark S.", die in den Jahren 1999 bis 2004 mehrere Musikalben veröffentlicht hat. Der Beklagte tritt als Rapper unter dem Künstlernamen "B." auf. Die Kläger behaupten, der Beklagte habe bei 13 der von ihm veröffentlichen Rapstücke Musikabschnitte von durchschnittlich zehn Sekunden verwendet, die aus den Originalaufnahmen der Gruppe "Dark S." ohne Verwendung des jeweiligen Textes elektronisch kopiert ("gesampelt") worden seien. Diese Abschnitte habe der Beklagte jeweils als sich ständig wiederholende Tonschleife ("Loop") verwendet, mit einem Schlagzeug-Beat verbunden und darüber seinen Sprechgesang (Rap) aufgenommen. Die Kläger sehen darin eine Verletzung ihrer Urheberrechte. Der Kläger zu 1 macht insoweit Rechte als Komponist, die übrigen Kläger jeweils Rechte als Textdichter geltend. Bei dieser Klage spielt es im Detail eine entscheidende Rolle, dass die Vorinstanzen sich nicht hinreichend mit den  angebotenen Beweisen des Komponisten hinsichtlich des Urheberrechts an den Musikwerken beschäftigt hatten. 

Soweit so gut, die Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit derartiger "Zitatpraktiken" hatte der BGH bereits mehrfach zu beurteilen und zeigte sich auf den ersten Blick in diesem Fall recht großzügig im Gegensatz zu den Hamburger Gerichten, aber nur scheinbar. 

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat ein Urteil des Oberlandesgericht Hamburg aufgehoben, mit dem das Verbot der Verbreitung von Aufnahmen des Rappers "Bushido." wegen der Verwendung von Musikstücken einer französischen Musikgruppe bestätigt worden war. 

Die Kläger haben den Beklagten unter anderem auf Unterlassung und Zahlung einer Entschädigung für einen erlittenen immateriellen Schaden in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten überwiegend zurückgewiesen. Es hat aufgrund des eigenen Höreindrucks und unter teilweiser Heranziehung des Inhalts von Sachverständigengutachten der Streitparteien die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Musikpassagen bejaht und angenommen, dass durch eine Verwendung dieser Ausschnitte in Musiktiteln des Beklagten in die Urheberrechte der Kläger eingegriffen worden sei. Dies entspricht der bislang "herkömmlichen Auffassung" in vergleichbaren Fällen, die sich mit der neueren Musikentwicklung - insbesondere der elektronischen Musik - nicht vertraut macht, jedenfalls aber eine entwicklungshemmende Funktion einnehmen kann, die aber letztlich eine Frage eines Urheberrechts de lege ferenda ist. 

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben. Die von den Mitgliedern der Gruppe "Dark S." erhobene Klage, die sich allein auf ihre Urheberrechte als Textdichter gestützt haben, hat der BGH mit überzeugender Begründung abgewiesen. 

Der Beklagte hat vorliegend nur Teile der Musik, nicht aber auch den Text von Stücken der Gruppe übernommen, so dass insoweit kein urheberrechtlich relevanter Eingriff vor liegt. Der BGH vertritt insoweit auch die Auffassung, dass die ursprüngliche Verbindung zwischen Text und Musik urheberrechtlich nicht geschützt ist, zumal ein in Anspruch genommener Urheberschutz für die Musikwerke nicht hinreichend dargestellt worden war. 

Daher war die Rechtssache nur hinsichtlich der Klage des Komponisten der Gruppe zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück zu verweisen. Hierzu hatte das Oberlandesgericht bislang keine hinreichenden Feststellungen getroffen, so dass die Ausführungen in dem Berufungsurteil nicht die Annahme tragen, dass die nach dem Vortrag des Klägers zu 1 vom Beklagten übernommenen Teile der von ihm komponierten Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind. Der BGH hat inzwischen mehrfach deutlich gemacht, dass angebotene Beweise bei substantiierten Sachvortrag auzsgeschöpft werden müssen, sofern dies erforderlich ist. 

Nach der Entscheidung des BGH ist nicht ersichtlich, durch welche objektiven Merkmale die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit der übernommenen Sequenzen aus den vom Kläger komponierten Musikstücken bestimmt wird. Das Oberlandesgericht hätte nach der Auffassung des BGH nicht ohne Hilfe eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen annehmen dürfen, dass die kurzen Musiksequenzen über ein routinemäßiges Schaffen hinausgehen und die Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutzes erfüllen. Es geht also weiter mit Bushido, wobei die Beurteilung seines musikalischen Schaffens nicht Gegenstand einer rechtlichen Beurteilung ist. 


BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 225/12 - Goldrapper 
LG Hamburg – Urteil vom 23.3.2010 – 308 O 175/08 
OLG Hamburg – Urteil vom 31.10.2012 – 5 U 37/10 
Karlsruhe, den 16. April 2015 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 063/2015 vom 16.04.2015






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