Freitag, 6. März 2015

EUGH: Dänische Privatkopie-Abgabe auf Speicherkarten von Mobiltelefonen grds. rechtmäßig

Der EuGH hat nunmehr die Speicherkartenabgabe nach dänischem Recht für grds. rechtmäßig befunden, aber Schranken gezogen, die der Festplattenabgabe auf Dauer die Grundlage entziehen könnten. Eine vergleichbare Regelung findet sich für Deutschland in § 54 UrhG. Der Rechtsstreit zwischen der dänischen Verwertungsgesellschaft Copydan und Nokia ist mit diesem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EUGH) am 4. März 2015 nicht ganz wie erwartet ausgegangen (Az.: C-463/12). 

Zwischen der Verwertungsgesellschaft und Nokia waren im Wesentlichen zwei Punkte streitig, die durchaus auch Relevanz für die Urheberrechte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben. Zum einen geht es um die Frage, ob eine solche Abgabe für Speicherkarten bei Mobiltelefonen überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist. Zum anderen um die Frage, wie solche Regelungen europarechtskonform zu gestalten sind. Die sehr komplizierte Entscheidung macht dazu entsprechende Vorgaben, die Änderungsbedarf hinsichtlich der deutschen Regelung auslösen dürften.  

In der Entwicklungstendenz seit Mitte der neunziger Jahre zahlen die Nutzer für die Speicherung privater Kopien von Jahr zu Jahr mehr, bei gleichzeitigem Rückgang der individuellen Speicherrechte im Ausgleich zu den Rechten der Verwerter. Den Urhebern fließen diese Einnahmen nebenbei bemerkt nur sehr spärlich zu. Ob dieser Ausgleich allerdings angemessen ist, kann durchaus hinterfragt werden, was durchaus bis zur rechtspolitischen Forderung einer Abschaffung der Festplattenabgabe geführt hat. 

Das Recht der Privatkopie ist europarechtlich nicht vereinheitlicht. Vielmehr können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs.2 der RL 2001/29/EG ihre je unterschiedlichen nationalen Systeme beibehalten, müssen dann aber angemessene Ausgleichsysteme vorsehen, was die Hersteller, Importeure und Händler entsprechend belastet, die diese Belastung auf die Nutzer über den Preis umlegen (s. EuGH, Rs C-462/09 - Padawan, zur Rechtslage in Spanien, die eine Vergütung allein für die private Vervielfältigung vorsah). Letztlich zeigt sich hier eine Tendenz, die dem EU - Recht in weiten Teilen eigen ist: die Tendenz zur Schaffung hyperkomplexer Systeme.  

Letztlich dürfen heute - in gewissen Grenzen - nur noch Musik-CDs und TV-Sendungen legal privat kopiert werden. Seit 1993 dürfen Computerprogramme dürfen nicht mehr privat kopiert werden. 1996 folgte ein Kopierverbot für komplette Bücher, Zeitschriften und eBooks. Weiter ging es 2002 über ein  Kopierverbot für Musiknoten sowie von Medien mit Kopierschutz (z. B. DVD, Blue-ray) unter anderem im Zusammenhang mit DRM - Techniken. Schließlich hat der EuGH 2014 entschieden, dass eine illegale Kopiervorlage nicht legal kopiert werden kann, so dass dies auch keine Abgabe auslösen kann. Hinzugetreten sind überdies Abgaben auf Speichermedien, deren rechtspolitische Berechtigung bis hin zur Höhe umstritten ist. Davon unbeschadet stellt sich die Frage nach der Effektivität eines solchen Systems für alle Beteiligten. 

Wenig überraschend ist der EUGH der Auffassung ist, dass eine Abgabepflicht für eine Speicherkarte für Mobiltelefone grundsätzlich mit EU-Recht vereinbar ist. Die Entscheidung betrifft Speichermedien insgesamt. Bei diesen Speicherkarten für Mobiltelefone handelt es sich um externe Speicher, nicht um die internen Speicher der Smartphones, die meist in das Gerät eingeschoben werden können, was nicht bei allen Marken möglich ist. Nach der Rechtsauffassung des EuGH ist dies auch dann der Fall, wenn solche Speicherkarten nicht primär zur Speicherung urheberrechtlich geschützter Werke genutzt werden, was kaum nachprüfbar ist. Letztlich ist es für die Speichertechnolgie fast irrelevant, welche Inhalte gespeichert werden, da dies nicht formatabhängig ist. Die Thematik verschiebt sich damit letzlich auf die Frage des legalen Erwerbs der Contents und der Bewertung des Preises für den Erwerb entsprechender Nutzungslizenzen, an denen auch die Urheber mit durchaus geringen Margen beteiligt werden. 

Der interessante Kern der Entscheidung besteht darin, dass der EuGH jetzt der Auffassung ist, dass für Kopien eines rechtmäßig erworbenen Musikstücks - das wird man auf andere Contents erweitern müssen - keine weiteren Gebühren erhoben werden dürfen, sofern nicht gewisse DRM geschützte Titel betroffen sind, da DRM-Sperren rechtlich wirksam sind, die zudem ohnehin nur von technisch versierten Nutzern umgangen werden können. Nimmt man dies beim Wort, bestehen für Festplattenabgaben kaum noch Legitimationen und das Ganze endet in kaum mehr übersehbaren Anrechnungstatbeständen. 

In seinem schwierigsten Teil geht die Entscheidung auf die Fragen ein, wie sich die Nutzungsmöglichkeit auf die Höhe der Abgabe auswirken können, weil die Abgabe grds. zu den Lizenzkosten hinzutritt, die beispielsweise bei der Speicherung aufgrund des Erwerbs von Mobile Contents bereits mit dem Kaufpreis oder dem Preis des Abonnements bereits entrichtet worden sind. Hier besteht das Problem, dass die Abgabe bereits in den Preis einkalkuliert ist, wie dies etwa auch bei Druckern der Fall ist (BGH, GRUR 2008, 245 - Drucker und Plotter), wie immer die konkrete Nutzung auch aussieht. 

Nach dem Urteil des EuGH kann die Abgabe unter Umständen nach dem nationalen Recht jetzt auch ganz entfallen, wenn dem Rechtsinhaber oder Verwerter dadurch nur ein geringfügiger Nachteil entstehen würde. Dazu sind die Kosten der Abgabe und die Lizenzkosten in ein Verhältnis zu setzen  Diese Grenzziehung wird in das Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates gestellt, unter Einschluss der Erwägungen zu Ungleichbehandlungen, die sachlich gerechtigt sind. Für Deutschland ist die Bestimmung zur Höhe in § 54 a UrHG eher vage und verweist die Problematik der Referenzvergütungen letztlich in das Urheberwahrnehmungsrecht (s. insbesondere § 13 UrhWG). Entsprechend steht hier auch auf Klägerseite eine Verwertungsgesellschaft. Die Entscheidung kann dieses "System" durchaus erschüttern. 

Hinsichtlich der Höhe lässt der Einsatz von Kopierschutz die Abgabepflicht zwar nicht entfallen, allerdings kann dies Einfluss auf die Höhe haben, was letztlich der deutschen Regelung in § 54 a Abs.1 S.2 UrhG entspricht.

Der EuGH vertieft zudem seine Rechtsprechung zum Verbot der Herstellung rechtswidriger Privatkopien von illegalen Quellen und geht insoweit auf die einschlägigen Normen der bereits oben genannten Info-Richtlinie ein, die einer nationalen Regelung entgegensteht, wenn ein gerechter Ausgleich für Vervielfältigungen auf der Grundlage von unrechtmäßigen Quellen, d.h. von geschützten Werken, die der Öffentlichkeit ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber zur Verfügung gestellt worden sind, nicht erfolgt. 

Der EuGH verweist insoweit auf die Entscheidung in der Rechtssache ACI Adam (Rs. 573 - AC I Adam u.a./Thuiskopie und SONT) stellt fest, dass die Abgabe nicht für Kopien von rechtswidrigen Quellen erhoben werden kann. Letztlich führt dies nicht weit, weil die Angabe zum Zeitpunkt der Vervielfältigungshandlungen mit dem Kaufpreis bereits erhoben ist, was immer der Nutzer auf diesen Speichermedien auch speichert. Infolgedessen läge die Aufgabe dieser Abgabe näher als die Errichtuing eines bürokratischen Systems für etwaige Rückerstattungsansprüche des Nutzers, auch wenn der EuGH diese Möglichkeiten vorsieht. Das deutsche Recht enthält hierzu keine konkreten Vorschriften. 

Der EuGH geht auf diese Problematik vertieft ein, weil nach der Info - RL zu klären war, ob es mit europäischen Sekundärrecht vereinbar ist, wenn Hersteller und/oder Importeure zur Zahlung verpflichtet werden (§ 54 b dt. UrhG), wenn Speicherkarten für Mobiltelefone mit der Kenntnis an Gewerbetreibende verkauft werden, die eine Weiterveräußerung im Vertriebsnetz vornehmen, ohne konkrete Kenntnis davon zu haben, ob es sich bei den Endabnehmern der Speicherkarten um private oder gewerbliche Endabnehmer handelt. Auch insoweit ist der EuGH der Auffassung, dass dies grds. nicht der Fall ist, weil dem bereits praktische Schwierigkeiten bei der Nachprüfbarkeit entgegenstehen und die Abgabepflicht für den Vertreiber entfällt, wenn er nachweisen kann, dass die Speicherkarten von Mobiltelefonen an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch veräußert wurden, was letztlich kaum nachzuweisen ist. Insoweit wird eine Unterausnahme gemacht, wenn diese Befreiung sich nicht auf die Lieferung allein an Gewerbetreibende beschränkt, die bei der Einrichtung, die mit der Verwaltung der Vergütungen beauftragt ist, angemeldet ist. Überdies muss diese Regelung einen Anspruch auf Erstattung der Privatkopievergütung vorsehen, der allein dem Endabnehmer zusteht, der bei der betreffenden Einrichtung einen entsprechenden Antrag stellt.

Im Ergebnis stellt diese Entscheidung das System der Festplattenabgabe in Frage und nähert sich der Argumentation der Gegner einer solchen Abgabe.

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