Freitag, 6. März 2015

EuGH: E-Books und Umsatzsteuer

Der EuGH hat sich in den Urteilen zu den Rechtssachen C-479/13 und C-502/13 Kommission / Frankreich und Kommission / Luxemburg erneut zur umsatzsteuerrechtlichen Einordnung von E-Books geäußert. 

Die rechtliche Einordnung von E-Books ist schwierig, auch hinsichtlich der Buchpreisbindung, die aber überwiegend bejaht wird. Unsicherheiten bestehen auch hinsichtlich der Anwendungs des Verlagsgesetzes und der rechtlichen Einordung der Verlagsverträge, die hier nicht näher angesprochen werden können. 

In Deutschland werden E-Books nicht nach dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs2. Nr.1 UStG besteuert, sondern zu 19 % nach § 12 Abs.1 UStG (Spanien: sogar 21 %). Unter rechtspolitischen Aspekten wird die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes europaweit seit langem diskutiert, wofür sich etwa der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seit Jahren einsetzt. Für Hörbücher ist der Steuersatz zum Jahreswechsel gesenkt worden. Das EuGH - Urteil wäre für Europa interessanter geworden, wenn es einen gegenteiligten Inhalt gehabt hätte.

In Frankreich und Luxemburg hingegen gelten seit 2012 für E-Books wie für gedruckte Bücher Mehrsteuersätze von sieben beziehungsweise drei Prozent. Die EU-Kommission befürchtete aufgrund dieser den Buchhandel begünstigenden Regelung "massive Wettbewerbsverzerrungen", nicht zuletzt weil die Konzerne Apple und Amazon ihr E-Book-Geschäft von Luxemburg aus betreiben. Aufgrund der Änderungen bei der Besteuerung im Vertrieb digitaler Güter greift allerdings ab 1. Januar 2015 das "Bestimmungslandprinzip", so dass derjenige Steuersatz fällig wird, der im Land des Bestellers gilt. Die Entscheidungen betreffen daher die frühere Rechtslage. 

Bereits mit dem EuGH-Urteil vom 11. September 2014 in der Rechtssache C‑219/13 hatte der EuGH definiert, was er unter E-Books versteht: 

"Ein E-Buch gibt im Wesentlichen den Inhalt eines ursprünglich in gedruckter Form vorliegenden Buchs, dem es in der äußeren Gestaltung und Struktur überwiegend gleicht, auf einem physischen Träger wie einer CD oder einem USB-Stick wieder und kann auf einen Computer oder ein geeignetes Lesegerät geladen werden. Die elektronischen Versionen können jedoch in ihrem Inhalt und ihrer Struktur von gedruckten Büchern abweichen." 

Dem vorstehend genannten Urteil in der Tendenz folgend urteilte der EuGH wenig überraschend, dass Frankreich und Luxemburg auf die Lieferung elektronischer Bücher, anders als bei Büchern aus Papier, keinen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden dürfen. 

Frankreich und Luxemburg wenden auf die Lieferung elektronischer Bücher einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz an. In Frankreich liegt der Satz seit dem 1. Januar 2012 bei 5,5 %, in Luxemburg bei 3 %. Bei den in Rede stehenden elektronischen (oder digitalen) Büchern handelt es sich um Bücher in elektronischem Format, die mit einem Computer, einem Smartphone, einem E Book-Lesegerät oder einem anderen Lesegerät entgeltlich über Herunterladen oder Streaming von einer Website abgerufen werden können. 

Die Kommission hat die Feststellung beantragt, dass Frankreich und Luxemburg dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Mehrwertsteuerrichtlinie1 verstoßen haben, dass sie auf die Lieferung elektronischer Bücher einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz angewandt haben. 

In seinen heutigen Urteilen gibt der Gerichtshof den Vertragsverletzungsklagen der Kommission statt. Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz nur auf die in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden darf. Dieser Anhang nennt u. a. die „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“. Der Gerichtshof schließt daraus, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf einen Umsatz anwendbar ist, der in der Lieferung eines Buches besteht, das sich auf einem physischen Träger befindet. 

Zwar benötigt ein elektronisches Buch, um gelesen zu werden, einen solchen physischen Träger (wie einen Computer), jedoch wird ein solcher Träger nicht zusammen mit dem elektronischen Buch geliefert, so dass die Lieferung solcher Bücher nicht in den Anwendungsbereich des genannten Anhangs III fällt. Ferner stellt der Gerichtshof fest, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie die Möglichkeit ausschließt, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf „elektronisch erbrachte Dienstleistungen“ anzuwenden. 

Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt die Lieferung elektronischer Bücher eine solche Dienstleistung dar. E-Books werden daher umsatzsteuerrechtlich nicht als Kulturgut, sondern als Dienstleistung qualifiziert, was zumindest rechtspolitisch in Zweifel gezogen werden kann, was natürlich die Steuereinnahmen verringern würde. 

Der Gerichtshof verwirft das Argument, wonach die Lieferung elektronischer Bücher eine Lieferung von Gegenständen (und nicht eine Dienstleistung) darstelle, obwohl insoweit gute Gründe bestehen, die sich letztlich aus der Vergleichbarkeit der Inhalte ergeben. Nach Auffassung des EuGH ist allein der physische Träger, der das Lesen elektronischer Bücher erlaubt, als ein „körperlicher Gegenstand“ einzuordnen. Die Lieferung elektronischer Bücher schließt jedoch einen solchen Träger überwiegend nicht ein. 

Die Kommission beanstandete außerdem, dass Luxemburg einen stark ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % anwandte, obwohl die Mehrwertsteuerrichtlinie Mehrwertsteuersätze von unter 5 % grundsätzlich verbiete. Insoweit erinnert der Gerichtshof daran, dass ein Mitgliedstaat gemäß der Mehrwertsteuerrichtlinie auch ermäßigte Mehrwertsteuersätze von 5 % nach der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) anwenden kann, sofern die ermäßigten Mehrwertsteuersätze insbesondere mit den Rechtsvorschriften der Union im Einklang stehen. 

Da der Gerichtshof aber zuvor bereits festgestellt hat, dass die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung elektronischer Bücher nicht mit der Mehrwertsteuerrichtlinie im Einklang steht, ist diese Voraussetzung der Vereinbarkeit mit den Rechtsvorschriften der Union nicht erfüllt, so dass Luxemburg auf die Lieferung elektronischer Bücher nicht den stark ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % anwenden darf. 

Die Urteile vom heutigen Tag hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Bücher auf physischen Trägern, wie insbesondere Bücher aus Papier, vorzusehen, so dass rechtspolitisch eine Absenkung weiter diskutiert werden kann. 

Quelle: Pressemitteilung des EuGH zu den Urteile C-479/13 und C-502/13 

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