Donnerstag, 12. Februar 2015

BGH: Kein kostenfreier Fahrdienst zur Augenklinik?

Es lässt sich feststellen, dass im Bereich medizinischer Dienstleistungen die Neigung Unterlassungsansprüche geltend zu machen, erheblich gestiegen ist. Es ist nicht selten, dass Kliniken mit Sonderleistungen werben, die werberechtlich durchaus grenzwertig sein können, jedenfalls in Deutschland. 

Der Bundesgerichtshof hatte jetzt die Zulässigkeit eines kostenlosen Fahrdiensts einer Augenklinik unter dem Aspekt der rechtlichen Zulässigkeiot nach dem Heilmittelwerbegesetz zu beurteilen, hat aber in der Sache nicht selbst entschieden, sondern an das OLG Köln zurück verwiesen. 

Der hier einschlägige § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG lautet wie folgt: 

"(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass 
1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben … um geringwertige Kleinigkeiten handelt; … … 
3. die Zuwendungen oder Werbegaben nur … in handelsüblichen Nebenleistungen bestehen; als handelsüblich gilt insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden;...". 

Nach der Auffassung des BGH kann der kostenlose Fahrdienst einer Augenklinik für Patienten gegen das heilmittelrechtliche Verbot von Werbegaben verstoßen.  

Die Beklagte betreibt eine Augenklinik. Der Kläger ist Augenarzt und führt in seiner Augenbelegabteilung auch stationäre Augenoperationen durch. Er begehrt, es der Beklagten zu verbieten, Patienten, die zur Diagnostik oder Operation ihre Augenklinik aufsuchen müssen, einen kostenlosen Fahrdienst anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, bei dem Patienten zur Augenklinik der Beklagten und nach der Behandlung nach Hause gebracht werden. 

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten führte zur Abweisung der Klage, so dass zwei Gerichte einen gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilten, was nicht so selten ist. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. 

Der BGH ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass das beanstandete Angebot eine auf konkrete Leistungen bezogene Werbung der Augenklinik darstellt, die dem in § 7 Abs. 1 Satz 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) geregelten generellen Verbot von Werbegaben unterfällt. 

Damit besteht grundsätzlich die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Verbrauchers, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Patienten nicht im Hinblick auf die Qualität der ärztlichen Leistung, sondern wegen des angebotenen Fahrdiensts für eine Behandlung durch die beklagte Augenklinik entscheiden. Das lässt sich zwar nicht ausschließen, es wird aber kaum im Regelfall die Grundlage der Entscheidung sein, sich dort behandeln zu lassen oder nicht.  

Der Fahrdienst stellt auch dieser Entscheidung keine nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG zulässige geringwertige Kleinigkeit dar, weil die Abholung und der Rücktransport des Patienten über eine längere Wegstrecke für ihn eine nicht unerhebliche vermögenswerte Leistung darstellt. Insoweit lässt sich ein Vergleich mit den Kosten für ein Taxi anstellen. 

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht nunmehr festzustellen haben, ob der beanstandete Fahrdienst eine nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG zulässige handelsübliche Nebenleistung darstellt, worüber das OLG scheinbar keinerlei Feststellungen getroffen hatte. Die Tatsache einer handelsüblichen Nebenleistung lässt sich insbesondere durch ein Sachverständigengutachten feststellen. Wie die Sache ausgeht, ist völlig offen. 


BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 213/13 
LG Köln - Urteil vom 25. April 2013 - 31 O 588/12 
OLG Köln - Urteil vom 22. November 2013 - 6 U 91/13, GRUR-RR 2014, 172
Karlsruhe, den 12 Februar 2015 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs Mitteilung der Pressestelle Nr. 020/2015 vom 12.02.2015

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