Donnerstag, 13. Dezember 2012

Urheberrechtsschutz beim Tonträger-Sampling - BGH: Kraftwerk II

Bundesgerichtshof - Pressemitteilung Nr. 210/2012 vom 13.12.2012 
Urheberrechtsschutz beim Tonträger-Sampling - Kraftwerk II 

 Die urheberrechtlichen Details waren für die deutsche Rechtslage lange Jahren umstritten, bis der BGH in der Entscheidung "Kraftwerk I" entsprechende Grenzen gezogen hatte, die aber noch als "großzügig" bewertet werden konnten. Das Thema ist nicht zuletzt für DJ's im Techno-, House und Ambient - Bereich von erheblicher Bedeutung, soweit es in diesem Zusammenhang auf die deutsche Rechtslage ankommt. 

Das neue Urteil in Sachen "Kraftwerk" setzt der freien Benutzung von Tönen oder Klängen weit engere  Grenzen und geht über die Entscheidung "Kraftwerk I" allem Anschein nach hinaus, verdeutlicht aber jedenfalls die dort entfalteten Bewertungsmaßstäbe. 

 Der BGH hat in dieser Sache entschieden, dass es unzulässig ist, die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge im Wege der sogenannten freien Benutzung für eigene Zwecke zu verwenden, wenn es einem durchschnittlichen Musikproduzenten möglich ist, eine gleichwertige Tonaufnahme selbst herzustellen.  Eine freie Benutzung scheidet jedenfalls dann aus, wenn ein durchschnittlicher Musikproduzent - ein schwierig zu definierender Begriff - in der Lage sein sollte, diese Töne oder Klänge selbst zu erstellen. Die Frage ist, wann das einmal nicht der Fall ist. Ist dies aber der Fall, kommt es nicht darauf an, ob unter Benutzung der Samplings ein neues, eigenständiges Werk entsteht. Dies bedeutet, dass nunmehr aus Sicherheitsgründen vor jeder Benutzung eine Zustimmung des Rechteinhabers eingeholt werden muss. Je nachdem wie der Volltext dies näher begründet, kann dies auf ein Verbot des Samplings ohne Einholung einer vorherigen Zustimmung der Rechteinhaber für Deutschland hinauslaufen, da es insoweit nicht darauf ankommt, ob ein eigenständiges neues Werk entsteht.

 Sachverhalt: 

 Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur in zwei Versionen eingespielt hat. Diese Musikstücke befinden sich auf zwei im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern.  

Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel 
"Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst einzuspielen. Sie meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen. 

 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten erneut bestätigt. Der Bundesgerichtshof hat heute die Revision der Beklagten zurückgewiesen. 

Rechtliche Beurteilung des BGH: 

 Die Beklagten haben nach der nunmehr endgültig bindenen Auffassung des BGH in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger (§ 85 Abs. 1 UrhG) eingegriffen, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels "Metall auf Metall" entnommen und diese dem Stück "Nur mir" unterlegt haben. Eine freie Benutzung scheidet in diesem Zusammenhang nach dieser Entscheidung aus. 

 Die Beklagten können sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) berufen. Zwar kann in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tönen oder Klängen einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist. 

Eine freie Benutzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings ausgeschlossen, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in die unternehmerische Leistung des Tonträgerherstellers keine Rechtfertigung. 

 Auch aus der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit lässt sich in einem solchen Fall kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen; darauf abzustellen ist, ob es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagten nach diesen Maßstäben in der Lage gewesen wären, die aus "Metall auf Metall" entnommene Sequenz selbst einzuspielen. 

 Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Metall auf Metall II 
 LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99 
 OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05 - GRUR-RR 2011, 396 = ZUM 2011, 755 Karlsruhe, den 13. Dezember 2012 
 Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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