Donnerstag, 20. Dezember 2012

Kündigung eines Reisevertrages wegen Aschewolke

Bundesgerichtshof - Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 2/12
Kündigung eines Reisevertrages wegen Aschewolke

Aschewolken aufgrund von Vulkanausbrüchen können den Luftverkehr erheblich beeinträchtigen und sogar zu dessen zeitlicher Stilllegung führen. Das es sich dabei um "Force Majeur" handelt, ist letztlich nicht weiter problematisch, weil es sich um ein von außen kommendes, unabwendbares Ereignis handelt, auf das keine Vertragspartei Einfluss nehmen kann und das für den fraglichen Zeitpunkt auch für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar war. Dem Pauschalreisenden steht für solche Fälle gemäß § 651 j Abs.1 BGB ebenso wie dem Reiseveranstalter ein spezielles Kündigungsrecht zu: 

"Wird die Reise infolge bei Vertragsschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen. 2) Wird der Vertrag nach Absatz 1 gekündigt, so findet die Vorschrift des § 651e Abs. 3 Satz 1…Anwendung.(…)". § 651 j BGB beruht auf Art IV der Pauschalreiserichtlinie der EU, so dass sich ähnliche Vorschriften auch in anderen Rechtsordnungen der EU finden. 

Hier ging es um eine erhebliche Erschwerung der Durchführung der Reise, weil der Reisende aufgrund der Aschewolke gar nicht erst zum Reiseziel gelangen konnte. In den Instanzen war streitig, ob eine Kreuzfahrt als Reise im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist:  

" Der Kläger buchte über ein Reisebüro der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Karibikkreuzfahrt, die von der am Verfahren beteiligten Streithelferin veranstaltet wurde und am 19. April 2010 in Fort Lauderdale/USA beginnen sollte. Die Hin- und Rückflüge sowie weitere Leistungen buchte er gesondert. Im April 2010 wurde aufgrund der von dem isländischen Vulkan Eyjafjallajökull ausgestoßenen Aschewolke ein Flugverbot angeordnet. Der Kläger und seine Ehefrau konnten die gebuchten Flüge in die USA nicht antreten und deshalb an der Kreuzfahrt nicht teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. April 2010 kündigte der Kläger gegenüber der Reiseveranstalterin den Vertrag über die Kreuzfahrt wegen höherer Gewalt. Die Reiseveranstalterin verlangte Stornogebühren von 90% des Reisepreises, die die Beklagte an sie zahlte. Der Kläger verlangte von der Beklagten die Erstattung einer geleisteten Anzahlung. Die Beklagte forderte im Wege der Widerklage die Erstattung der an die Reiseveranstalterin gezahlten Stornogebühren.   Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Beklagten Ersatz für die Stornogebühren zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vertrag über die Kreuzfahrt sei kein Reisevertrag und könne deshalb nicht wegen höherer Gewalt gekündigt werden. Die Beklagte sei als Reisevermittlerin auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er das Risiko der Anreise trage und im Falle eines Flugausfalls wegen höherer Gewalt den Vertrag über die Kreuzfahrt nicht kostenfrei werde kündigen können. Mit der Revision begehrte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils." 

 Der Bundesgerichtshof hat zunächst entschieden, dass es sich bei dem Vertrag über die Teilnahme an der Kreuzfahrt um einen Reisevertrag im Sinne des § 651a BGB handelte. Infolgedessen konnte der Kläger diesen Reisevertrag auch wirksam wegen höherer Gewalt gemäß § 651j BGB kündigen. Der BGH begründet dies sehr überzeugend: 

"Maßgeblich für das Kündigungsrecht ist, dass die individuelle Reise des Reisenden infolge bei Vertragsschluss nicht vorhersehbarer höherer Gewalt nicht stattfinden kann. Hier konnte die Kreuzfahrt als solche zwar durchgeführt werden, an ihr teilzunehmen war den Reisenden jedoch offensichtlich nicht möglich, zumindest aber erheblich erschwert. Infolge der wirksamen Kündigung durch den Kläger hat die Reiseveranstalterin gemäß § 651j Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 651e Abs. 3 Satz 1 BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren. Die Beklagte kann deshalb vom Kläger keine Erstattung des an die Reiseveranstalterin gezahlten Betrages verlangen." 

Der Reiseveranstalter muss die Anzahlung daher zurückerstatten. Da keine Reiseleistungen erbracht worden worden, steht dem Reiseveranstalter auch kein Entscheidungsanspruch nach §§ 651 d I, 651 c III 2, 638 III BGB zu. Stornogebühren von 90 % sind in einem solchen Fall weit übersetzt. Inwieweit in solchen Fällen Stornokosten in berechtigter Höhe verlangt werden können, bleibt in der Pressemitteilung offen, möglicherweise weil die Reisebedingungen insoweit unwirksam waren. 

Die Pointe des Falles liegt aber bei der fehlenden Passivlegitimation:  
"
"Einen Anspruch auf Erstattung der Anzahlung kann der Kläger hingegen nicht gegen das beklagte Reisebüro, sondern allenfalls gegen die Reiseveranstalterin geltend machen". In aller Regel fungieren Reisebüros lediglich als Bote zwischen dem Reiseveranstalter und dem Reisenden, wobei auch Stellvertretung in Betracht kommt. Fehler des Reisebüros und Übermittlungsfehler zwischen Reisebüro und Reiseveranstalter gehen in der Regel zu Lasten des Reiseveranstalters (BGHZ 82,222). Den Reiseveranstalter zu verklagen, hätte möglicherweise näher gelegen.   

 Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 2/12 
AG Norderstedt – Urteil vom 18. März 2011 – 47 C 1194/10 
LG Kiel – Urteil vom 16. Dezember 2011 – 1 S 77/11 
Karlsruhe, den 18. Dezember 2012 
Quelle: Pressemitteilung des BGH


Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen