Dienstag, 13. November 2012

Keine Entschädigung für verspäteten außereuropäischen Anschlussflug

Bundesgerichtshof - Pressemitteilung Nr. 190/2012 vom 13.11.2012 
Keine Entschädigung für verspäteten außereuropäischen Anschlussflug 


Der BGH hat das Recht der Ausgleichsansprüche bei außereuropäischen Anschlussflügen erneut präzisiert. Im vorliegenden Fall ging es um Ausgleichsansprüche wegen einer Verspätung bei einem verspäteten, außereuropäischen Anschlussflug. Diese Konstellation wirft in der Regel die Frage auf, ob ein solcher Anschlussflug noch in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 261/2004 fällt, was der BGH bereits wiederholt abgelehnt hat, wobei es aber sehr auf die jeweilige Konstellation des Falles ankommt und unter anderen auch, wo der betreffende Vertrag geschlossen worden ist und die betreffende Fluggesellschaft den Sitz ihrer geschäftlichen Leitung hat. 

Im vorliegenden Falle handelte es sich bei beiden Beklagten um Flugesellschaften, die keinen Sitz in der EU haben, jedoch war der Flug ab Frankfurt/Main gebucht. Die Verspätung betrug acht Stunden, so dass die Kläger jeweils 600 Euro Ausgleichszahlung geltend machten. Man konnte den EuGH durchaus so verstehen, dass derartige Fälle in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fallen, aber bereist die Berufungsgerichte sahen dies anders. 


Der BGH lehnte die Ausgleichsansprüche ab, weil die Verspätung jeweils bei dem Anschlussflug eintrat, den die Fluggäste außerhalb der Europäischen Union antraten und auf den daher die Verordnung nach deren Art. 3 Abs. 1a nicht anwendbar ist. 

Nach Auffassung des BGH kommt es insoweit nicht darauf an, dass der jeweils erste Flug in Frankfurt am Main gestartet ist. Es kommt weiter nicht darauf an, dass dieser und der Anschlussflug von derselben Fluggesellschaft durchgeführt und die Anschlussverbindung gemeinsam gebucht worden sind. Wie der BGH bereits zuvor entschieden hatte, kommt es insoweit darauf an, ob eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen besteht, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route angeboten werden. Ist dies der Fall ist die Anwendbarkeit der Verordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen. 



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In den beiden heute vom Bundesgerichtshof entschiedenen Reisesachen beanspruchen die Kläger Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c*, Art. 5 Abs. 1c** der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) wegen einer Flugverspätung. 

In beiden Fällen buchten die Kläger bei der Beklagten, jeweils einer Fluggesellschaft mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, einen Fernflug ab Frankfurt am Main. Im ersten Fall sollten die Kläger das Endziel Bélem (Brasilien) über São Paulo, im anderen Fall das Endziel Bangkok über Muskat (Oman) erreichen. 

Jeweils erfolgte der Flug von Frankfurt am Main zum Abflughafen des Anschlussflugs planmäßig, jedoch verspätete sich der Start des Anschlussfluges, und die Kläger trafen erst rund acht Stunden später als vorgesehen am Endziel ein. 

Die Kläger haben geltend gemacht, jedem von ihnen stehe eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € nach der Verordnung zu, da sie wegen der Ankunftsverspätung am Endziel nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden müssten. Es liege ein einheitlicher Flug von Frankfurt am Main zu dem jeweiligen Endziel vor. Daher sei die Verordnung gemäß deren Art. 3 Abs. 1a*** anwendbar. 

Das Amtsgericht hat im Fall X ZR 12/12 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, im Fall X ZR 14/12 die Klage abgewiesen. Auf die jeweilige Berufung hat das Landgericht in beiden Fällen die Klage abgewiesen. Der Ausgleichsanspruch bestehe nicht, da die Verordnung nicht anwendbar sei. Die Verspätung sei bei dem Anschlussflug eingetreten, den die Kläger nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union angetreten hätten. 

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat die Berufungsurteile bestätigt und entschieden, dass die Ausgleichsansprüche nicht bestehen, da die Verspätung jeweils bei dem Anschlussflug eintrat, den die Fluggäste außerhalb der Europäischen Union antraten und auf den daher die Verordnung nach deren Art. 3 Abs. 1a nicht anwendbar ist. Dies gilt, auch wenn der jeweils erste Flug in Frankfurt am Main gestartet ist, dieser und der Anschlussflug von derselben Fluggesellschaft durchgeführt und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht wurden. Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Verordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen. 


 *Art. 7 der Verordnung [Ausgleichsanspruch] (1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:… c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen. … 
**Art. 5 der Verordnung [Annullierung] (1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen … c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt … 
*** Artikel 3 der Verordnung [Anwendungsbereich] (1) Diese Verordnung gilt a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegt, einen Flug antreten; b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten. ... 

Urteile vom 13. November – X ZR 12/12 
LG Frankfurt am Main – 2-24 S 133/11 – Urteil vom 5. Januar 2012 
AG Frankfurt am Main – 29 C 102/11 (46) – Urteil vom 29. April 2011 und X ZR 14/12 
LG Frankfurt am Main – 2-24 S 145/11 – Urteil vom 5. Januar 2012 
AG Frankfurt am Main – 31 C 291/11 (83) – Urteil vom 9. Juni 2011 
Karlsruhe, den 13. November 2012 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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