Mittwoch, 25. April 2012

BGH: Pharming - Angriffe im Online - Banking


BGH, Pressemitteilung Nr. 50/2012 : Pharming Angriffe im Online - Banking



Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Bankkunde sich im Online-Banking bei einem Pharming-Angriff schadensersatzpflichtig macht.Vorauszuschicken ist allerdings, dass diese Entscheidung nicht die Rechtslage nach Inkrafttreten des § 675 v BGB - Haftung des Zahlers bei missbräuchlicher Nutzung eines Uahlungsauthentifizierungsinstruments - betrifft. Zur bisherigen Rechtslage besteht eine umfangreiche Rechtsprechung zur AGB - Praxis, die die wesentlichen Fallgruppen ausdifferenziert hat. 

Nach dieser Norm wird die Haftung des Zahlers in Fällen einfacher Fahrlässigkeit auf einen Betrag von 150 Euro in Missbrauchsfällen beschränkt, sofern der Zahler nicht in betrügerischer Absicht oder vorsätzlich sowie grobfahrlässig gehandelt hat, indem er bestimmte Pflichten aus dem Bankvertrag verletzt hat. Wann noch einfache Fahrlässigkeit vorliegt oder schon gribe Fahrlässigkeit, ist noch nicht für alle Fallkonstellationen klar "abgeschichtet". Nach § 675 u BGB besteht kein Erstattungsanspruch des Zahlungsdienstleisters, wenn es sich nicht um einen authorisierten Zahlungsvorgang gehandelt hat und er nicht schuldhaft gehandelt hat. Vielmehr muss in einem solchen Fall die Bank den betreffenden Betrag ersetzen. Die Beweislast liegt nach § 675 w BGB grundsätzlich beim Zahlungsdienstleister, wobei es im Detail auf die Zuverlässigkeit des verwendeten Authentizifierungsverfahrens ankommt, wobei die Norm die Anforderungen an die Beweisführung aber letztlich offen lässt.  

Im seitens des BGH jetzt entschiedenen Fall nahm der Kläger die beklagte Bank wegen einer von ihr im Online-Banking ausgeführten Überweisung von 5.000 € auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch, entsprechend dem gesetzlichen Anspruch aus 675 u BGB für Fälle ab dem 31.10.2009 (Inkrafttreten der §§ 675 u b- w BGB).

Sachverhalt: 

"Der Kläger unterhält bei der Beklagten ein Girokonto und nimmt seit 2001 am Online-Banking teil. Für Überweisungsaufträge verwendet die Beklagte das sog. iTAN-Verfahren, bei dem der Nutzer nach Erhalt des Zugangs durch Eingabe einer korrekten persönlichen Identifikationsnummer (PIN) dazu aufgefordert wird, eine bestimmte, durch eine Positionsnummer gekennzeichnete (indizierte) Transaktionsnummer (TAN) aus einer ihm vorher zur Verfügung gestellten, durchnummerierten TAN-Liste einzugeben.

In der Mitte der Log-In-Seite des Online-Bankings der Beklagten befand sich folgender Hinweis:

"Derzeit sind vermehrt Schadprogramme und sogenannte Phishing-Mails in Umlauf, die Sie auffordern, mehrere Transaktionsnummern oder gar Kreditkartendaten in ein Formular einzugeben. Wir fordern Sie niemals auf, mehrere TAN gleichzeitig preiszugeben! Auch werden wir Sie niemals per E-Mail zu einer Anmeldung im … Net-Banking auffordern!"

Am 26. Januar 2009 wurde vom Girokonto des Klägers nach Eingabe seiner PIN und einer korrekten TAN ein Betrag von 5.000  € auf ein Konto bei einer griechischen Bank überwiesen. Der Kläger, der bestreitet, diese Überweisung veranlasst zu haben, erstattete am 29. Januar 2009 Strafanzeige und gab Folgendes zu Protokoll:

"Im Oktober 2008 - das genaue Datum weiß ich nicht mehr - wollte ich ins Online-banking. Ich habe das Online-banking der … Bank angeklickt. Die Maske hat sich wie gewohnt aufgemacht. Danach kam der Hinweis, dass ich im Moment keinen Zugriff auf Online-banking der ... Bank hätte. Danach kam eine Anweisung zehn Tan-Nummern einzugeben. Die Felder waren nicht von 1 bis 10 durchnummeriert, sondern kreuz und quer. Ich habe dann auch die geforderten Tan-Nummern, die ich schon von der Bank hatte, in die Felder chronologisch eingetragen. Danach erhielt ich dann Zugriff auf mein Online-banking. Ich habe dann unter Verwendung einer anderen Tan-Nummer eine Überweisung getätigt." Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte."

Bereits in den Vorinstanzen war die die Klage auf der Basis der bisher ergangenen Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen auf Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat sich dem in vollem Umfang angeschlossen. 

Der BGH ist der Auffassung, das auch für den Fall, dass der Kläger die Überweisung der 5.000 € nicht veranlasst haben sollte, sein Anspruch auf Auszahlung dieses Betrages erloschen ist, weil der Beklagte gegen diesen Anspruch ein Schadensersatzanspruch zusteht, mit der diese nach § 280 Abs. 1 BGB aufgerechnet hat.

Einen Pharming - Angriff stellt der BGH nach dem Ergebnis des strafrechtlichen Ermittlungen nicht grundsätzlich in Frage: " Der Kläger ist nach dem in seiner Strafanzeige vorgetragenen Sachverhalt Opfer eines Pharming-Angriffs geworden, bei dem der korrekte Aufruf der Website der Bank technisch in den Aufruf einer betrügerischen Seite umgeleitet worden ist. Der betrügerische Dritte hat die so erlangte TAN genutzt, um der Bank unbefugt den Überweisungsauftrag zu erteilen." Insoweit würde nach nach § 675 u BGB keine andere Beurteilung ergehen. 

Der BGH sieht indessen in der Reaktion des Klägers einen Ansatzpunkt für einen Schadensersatzpflicht aufgrund von mindestens einfacher Fahrlässigkeit, weil der Kläger sich gegenüber der Bank durch seine Reaktion auf diesen Pharming-Angriff schadensersatzpflichtig gemacht hat. Der BGH sieht hier eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die der Kläger außer Acht gelassen hat, indem er beim Log-In-Vorgang, also nicht in Bezug auf einen konkreten Überweisungsvorgang, trotz des ausdrücklichen Warnhinweises der Bank gleichzeitig zehn TAN eingegeben hat. Damit ist entscheidend, wie der Warnhinweis der Bank zu bewerten ist, der letztlich über das Vorliegen fahrlässigen Handelns des Kunden entscheidet. Der Warnhinweis ist eindeutig, aber möglicherweise für einen durchschnittlichen Bankkunden schwer verständlich. Der BGH geht insoweit auch "nur" von einfacher Fahrlässigkeit aus. Dies würde nach aktueller Rechtslage bedeuten, dass der Kunde 150,00 Euro an die Bank zahlen muss und im Übrigen einen Erstattungsanspruch hat und eine Haftung für nach Anzeiger erfolgte Überweisung ohnehin ausscheidet. 

Der BGH statuiert aber für die frühere Rechtslage, dass der Bank gegen den Kunden ein unbegrenzter Schadensersatzanspruch bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments zusteht. Insofern hätte durchaus Anlass bestanden, auf die zugrundeliegenden AGB näher einzugehen und die Frage aufzuwerfen, ob eine unbeschränkte Haftung des Kunden wegen einfacher Fahrlässigkeit einer AGB - Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standgehalten hätte. Etwa gegenüber der Entscheidung des BGH vom 05.10.2004, stellt diese Entscheidung eine Verschärfung dar, weil bislang weitgehend auf das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit abgestellt wurde, die hier kaum gegeben sein dürfte.  

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Bank nach § 254 BGB hat der BGH verneint, weil das zur Verfügung gestellte Authentifizierungssystem iTAN dem Stand der Technik des Jahres 2008 entsprochen hat. Auch Aufklärungs- oder Warnpflichten hat der BGH nicht als verletzt angesehen, was davon abhängt, ob man die Warnung der Bank als hinreichend ansieht. 

Mit der geltenden Rechtslage wäre das Ergebnis dieser Entscheidung bei Annahmer von maximal einfacher Fahrlässigkeit nicht vereinbar, § 675 v Abs.1 BGB. 


BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 96/11
Amtsgericht Düsseldorf - Urteil vom 6. April 2010 - 36 C 13469/09
Landgericht Düsseldorf - Urteil vom 19. Januar 2011 - 23 S 163/10
Karlsruhe, den 24. April 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs http://www.jurpc.de/rechtspr/20040285.htm

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