Dienstag, 6. März 2012

Facebook verliert gegen vzbv am LG Berlin

Landgericht Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 16 O 551/10 - nicht rechtskräftig 

Nicht ganz unerwartet hat das Landgericht Berlin der Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) stattgeben und Facebook wegen etlicher Verstöße gegen das Datenschutzrecht unter dem Aspekt des Rechtssbruchs nach §§ 3, 4 Nr.11 UWG verurteilt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, so dass es auch noch ein wenig verfrüht ist, ist von "Meilensteinen" zu sprechen. Dies ändert nichts daran, dass die Gestaltung von Facebook in erheblichem Maße auf datenschutzrechtliche Bedenken nach Maßgabe des deutschen Datenschutzrechtes stößt, das wiederum auf europarechtlichen Grundlagen beruht.  Inwieweit und ob diese Regelungen unter rechtspolitischen Aspekten die Situation eines Strukturwandels der Privatheit im web 2.0 noch vollständig abbilden, ist eine Frage, die sich de lege ferenda stellt.  

Ein rechtskräftiges Urteil bedürfte übrigens der Vollstreckung in Irland nach den Regelungungen der EuGVVO, soweit nicht das Recht der Republik Irland ergänzend Anwendung findet. 

Der Leitsatz des LG Berlin lautet wie folgt (der Volltext ist noch nicht veröffentlicht - ohnehin ändern sich die Nutzungsbedingungen von Facebook recht oft): 

"Keine Freundschaftsanfragen ohne Einwilligung des kontaktierten Verbrauchers, kein unzureichender Hinweis bei der Registrierung eines neuen Facebook-Nutzers auf den Import von E-Mail-Adressen sowie Vertragsklauseln u.a. zur Nutzung von IP-Inhalten, Werbung und den „Facebook-Datenschutzrichtlinien“ unwirksam:  

Auf Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hat das Landgericht Berlin heute der Facebook Ireland Limited die Versendung entsprechender Anfragen an Dritte und die Verwendung eines unzureichenden Hinweises auf Datenimport bei der Registrierung sowie die Verwendung verschiedener Vertragsklauseln untersagt. 

Nach Auffassung des Landgerichts sind die entsprechende Werbepraxis von Facebook und die verwendeten Klauseln mit wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen sowie den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vereinbar."


Derzeit ist die maßgebliche Quelle die Pressemitteilung des vzbv:

Die Klage richtete sich insbesondere gegen die Praxis des Freundefinders auf Facebook. Nach der Pressemitteilung des vzbv hat das Gericht angenommen, dass Facebook-Mitglieder dazu verleitet werden können, Namen und E-Mail-Adressen von Freunden zu importieren, auch wenn sie selbst nicht bei Facebook Mitglied sind, wozu übrigens niemand gezwungen wird. In der Folge erhalten sie Einladungen, ohne dazu eine Einwilligung erteilt zu haben.Spammer haben diese Lücke längst dazu benutzt, ihrerseits Fakeinladungen zu versenden, die Viren enthalten und Daten sammeln sollen, ohne von Facebook dazu autorisisiert zu sein. Das LG hat entschieden, dass Nutzer klar und deutlich informiert werden müssen, dass bei der Nutzung dieser Funktion ihr gesamtes Adressbuch in Facebook importiert wird, was für Facebook eine interessante Informationsquelle darstellt, die indessen inzwischen allerdings leicht modifiziert wurde. 

Facebook ist ohnehin kein "Charity - Projekt", sondern ein Unternehmen, dass darauf ausgelegt ist, so viele Nutzerdaten wie möglich und insbesondere nach US-Recht rechtlich zulässig zu sammeln, um Werbung möglichst optimal zu vermarkten. Die neue Timeline erfüllt diese Vorgabe mit Bravour. Facebook ist im Kern heute eine Vertriebsplattform, mag es auch als Kommunikationsplattform gegründet und als solches auch heute noch - auch zu politischen Zwecken - von den Usern genutzt. Die User haben keine demokratischen Rechte auf Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen über Facebook, was misslich sein mag, aber die Realität der Teilhabe kennzeichnet.

Ein weiterer Angriff richtete sich gegen die Verwendung von User Generated Content. Insofern enthalten nicht nur die AGB von Facebook eine Klausel zur Rechteübertragung die besagt, das Facebook an allen von Nutzern eingestellten Inhalten - insbesondere Lichtbildern - ein umfassendes weltweites und kostenloses Nutzungsrecht erwirbt, das zudem auch nach Beendigung der Mitgliedschaft erhalten bleiben soll. Die Frage ist aber nicht, ob die Nutzer Urheber ihrer Bildnisse bleiben, sondern wieweit die Rechteübertragung wirksam ist, die Facebook ein unwiderrufliches, weltweites und nicht ausschließliches Nutzungsrecht einräumt, dessen Dauer zeitlich nicht begrenzt ist. Auch das Problem der Zustimmung ist nicht der Kern der Rechtsfrage, sondern ob diese Zustimmung auf der Basis der AGB in dieser Form erteilt werden kann und eine solche Klausel den Nutzer nicht unangemessen benachteiligt. Diese Frage wird auch für eine Reihe anderer Portale interessant werden. Es hier mehr um das "Wie" der Zustimmung und die Möglichkeit diese Zustimmung auch wieder beenden zu können, als um das "Ob" der Zustimmung. 

Da Facebook eine "Vertriebsmaschine" für Werbung ist, kam völlig konsequent auch die Regelung in den - sehr verzweigten und teilweise wenig transparenten - AGB auf den Prüfstand, ob ein Nutzer mit seinem Beitritt, der Nutzung seiner Daten zu Werbezecken zustimmt. Auch insoweit kommt es eher auf das "Wie" der Nutzung als auf ein generelles Nutzungsverbot an, da der User bei einem Beitritt zu Facebook nach hiesiger Auffassung nicht damit rechnen kann, auf eine werbefreie Plattform zu geraten, da diese Plattform fast nur über Werbung finanziert wird, was wieder Diskussionen um Mitgliedsbeiträge entfachen wird. Weniger bedenklich sind die Rügen der fehlenden Informationen zu Änderungen der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen, die bislang weitgehend durchaus erfolgt sind. 

Die Frage ist, wie Facebook auf diesen deutschen "Nadelstich" als "Global Player" reagieren wird. Möglicherweise indem Filter für deutsche User implementiert werden, was eine Nationalisierung globaler Netzwerke zur Folge haben könnte. es ist eher unwahrscheinlich, dass Facebook seine Praktiken global am Schutzniveau Deutschlands und der EU orientieren wird. Bestehende vollstreckungsrechtliche Probleme sollen nicht verhelt werden, weil die Niederlassung Irland letztlich keine Herrschaft über die Programmierung hat und auch die Verhängung von Zwangsgeldern wenig helfen wird. Prozesse dieser Art setzen einer auf einen Imageschaden, der Facebook angesichts eines möglichen Verlustes von Marktanteilen in Europa zum Einlenken bewegen sollte. Im (hinkenden) Vergleich zum Business - Network XING ist Facebook von der Einhaltung europäischer Datenschutzvorgaben noch Millionen von Meilen entfernt und diese Fragen stellen sich bei der neuen Timeline nicht weniger als vorher, sondern eher noch verschärft, weil eine Chronik entfaltet wird, die hinsichtlich der Grundstruktur von einer Einwilligung nicht abhängig gemacht wird.

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