Mittwoch, 28. März 2012

BGH zu einem möglichen Plagiatsverkauf bei eBay

Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle Nr. 040/2012 vom 28.03.2012

Der interessanteste Aspekt des Falles bleibt in der Entscheidúng leider offen, wird aber von Berufungsgericht angesichts der Rückverweisung wahrscheinlich zu klären sein. Es geht dabei um die interessante - und keineswegs auf eBay - Fälle - beschränkte - Frage, welche rechtlichen Folgen der Verkauf eines Plagiats statt eines Orginals bei Anpreisung als Originalprodukt hat. Meines Erachtens fällt ein solcher Verkauf unter die Regelung des § 435 BB, weil die Kaufsache nicht frei von Rechten Dritter ist. Als Rechte kommen insbesondere auch Rechte aus Marken, Partenten, Gebrauchsmustern, Urheberrechten und anderen Schutzrechten in Betracht, die auch gegen den Käufer einer solchen Ware Ansprüche auslösen können, bis hin zur Vernichtung. Die Rechtsfolgen richten angesichts der wenig durchdachten Regelung des § 435 BGB nach § 437 ff BGB, sind AGB teilweise abdingbar, soweit nicht § 444 BGB eingreift. Indessen ist ein Haftungsausschluss wegen Arglist beim Verkauf eines Plagiats unter Umständen naheliegend. Ein Angebot zu einem Startpreis von einem Euro sieht der BGH nicht als Indiz für ein Plagiat an.

Der BGH hatte indessen Gelegenheit auch einige andere "alte Zöpfe" abzuschneiden und das Recht der Onlineverkäufe weiter zu liberalisieren, weil die Situation bei einer "Internetversteigerung" sich nicht grundlegend von bisher entschiedenen Fällen unterscheidet, in denen sich in Vertragsverhandlungen jeweils nur die Vertragsparteien unmittelbar gegenüberstanden. Indessen kann die Entsprechung von elektronischen Vertragsschlüssen und Vertragsschlüssen "eye-to-eye" in anderen Fällen durchaus Grenzen haben, die hier aber offenbleiben können. 

Der zu entscheidende Fall hat folgenden Sachverhalt: 

Die Beklagte bot auf der Internetplattform eBay im Rahmen einer Auktion unter Hinzufügung eines Fotos ein Handy zum Verkauf unter der Bezeichnung "Vertu Weiss Gold" ohne Festlegung eines Mindestpreises zu einem Startpreis von 1 € an. Zur Beschreibung heißt es in dem Angebot, dass der Zustand gebraucht sei. Außerdem teilte die Beklagte dazu Folgendes mit: "Hallo an alle Liebhaber von Vertude nur zum ausprobieren ausgepackt). Weist aber ein paar leichte Gebrauchsspuren auf (erwähne ich ehrlichkeit halber). Hatte 2 ersteigert und mich für das gelb goldene entschieden. Gebrauchsanweisung englisch) lege ich von dem gelb goldene bei, das andere habe ich auch nicht bekommen. Dazu bekommt ihr ein Etui, Kopfhörer und Ersatzakku. Privatverkauf, daher keine Rücknahme. Viel Spaß beim Bieten." 

Die Annahme des seitens der Beklagten angebotenen Handys verweigerte der Kläger mit der Begründung, dass es sich um ein Plagiat handele. Der Kläger hat behauptet, dass ein Original des von der Beklagten angebotenen Handys 24.000 € koste. Die auf Zahlung von 23.218 € Schadensersatz (24.000 € abzüglich des Kaufpreises von 782 €) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg." 

Der Anspruch ist schon von der Höhe des Schadensersatzes her fragwürdig, weil hier statt des Preises eines gebrauchten Handys dieser Bauart zum Zeitwert, der Neuwert als Schaden angesetzt wird und die Beklagte kein neues Handy angeboten hatte. Das Ausprobieren von Neuware führt üblicherweise schon zu Wertverlusten. Hinzu kommt der Aspekt, dass das Gerät nicht angenommen hat, ohne feststellen zu können, ob es sich tatsichlich um ein Plagiat handelt, so dass sich hier unter Umständen erhebliche Probleme bei der Beweislastverteilung stellen können, § 300 I BGB. 

Der BGH hat das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers hin aufgehoben, ohne selbst in der Sache entscheiden zu können, weil die Vorinstanzen bestimmte Beweis nicht erhoben haben. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat der BGH den hier geschlossenen Kaufvertrag nicht als sogenanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB als nichtig angesehen, was zur Anwendung der §§ 812 ff BGB führen würde:  

"Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn weitere Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten. Auf eine derartige Gesinnung kann beim Verkauf von Grundstücken und anderen hochwertigen Sachen regelmäßig geschlossen werden, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung. Von einem solchen Beweisanzeichen kann bei einer Onlineauktion jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden." 

Diese Entscheidung verstärkt damit die Tendenz bei der Annahme einer Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB das subjektive Tatbestandselement zu betonen und völlig zu Recht in diesem Rahmen die Besonderheiten von Online - Auktionen zu berücksichtigen, bei denen es sich oftmals um einen "Schnäppchenmarkt" aus vielfältigen Motiven handelt. Beschaffenheitsvereinbarung über bestimmte Eigenschaften der Ware: 

"Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handelt, nicht verneint werden. Das Berufungsgericht meint, gegen die Annahme einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1) spreche "vor allem" der von der Beklagten gewählte Startpreis der Auktion von 1 €. Diese Begründung trägt nicht. Das Berufungsgericht verkennt, dass dem Startpreis angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen ist. Denn der bei Internetauktionen erzielbare Preis ist von dem Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende Beträge für den Artikel zu zahlen." 

Diesen klaren Ausführungen ist nichts hinzufügen, weil dieses Geschäftsmodell in der Tat entsprechende Besonderheiten aufweist, die entsprechend zu berücksichtigen sind. Unabhängig davon muss ein Anbieter sich an seinen Angaben zur Beschaffenheit der Ware festhalten lassen. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Schadensersatzanspruch in einem solchen Fall durchaus plausibel, wobei die Höhe durchaus mit Fragezeichen zu versehen ist. Der BGH ist dem Berufungsgericht nicht gefolgt, weil das einen Schadensersatzanspruch "mit der Hilfsbegründung verneint hat, dem Kläger sei der – unterstellte – Mangel der Unechtheit des von der Beklagten angebotenen Mobiltelefons infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB), weil es erfahrungswidrig sei, dass ein Mobiltelefon mit dem von dem Kläger behaupteten Wert zu einem Startpreis von 1 € auf einer Internetplattform angeboten werde. 

Nach hiesiger Auffassung rückt hier der Umstand ins Licht, ob es sich bei der Ware vermeintlich oder tatsächlich um ein Plagiat gehandelt hat, wobei sich durchaus schwierige Fragen der Beweislastverteilung stellen können, je nachdem wie man den Annahmeverzug vorliegend bewertet, da offen bleibt, ob die Ware noch vorhanden ist. 

BGH, Urteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10 
LG Saarbrücken - Urteil vom 21. August 2009 - 12 O 75/09 
OLG Saarbrücken - Urteil vom 26. August 2010 - 8 U 472/09 -122 
Karlsruhe, den 28. März 2012 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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