Mittwoch, 25. Januar 2012

LG München I: Hitlers „Mein Kampf“ darf nicht an die Kioske

Die 7. Zivilkammer des LG München I hat in einer am 25.01.2012 ergangenen einstweiligen Verfügung einem Verbotsantrag des Freistaates Bayern gegen einen englischen Verleger stattgegeben und die Herstellung und Verbreitung kommentierter Auszüge aus Adolf Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ verboten. Interessant ist dabei, dass die Kammer die Auffassung vertritt, dass Art. 5 GG die Durchsetzung des urheberrechtlichen Verbotsanspruches nicht hindert, was erneut die wenig thematisierten Probleme des Verhältnisses des Urheberrechtsschutzes zu den Informationsgrundrechten anspricht. 

Unabhängig davon, dass es kaum einen sachlichen Anlass gibt, sich mit den kruden Auffassungen des "GröFaz" in der heutigen Zeit zu beschäftigen, ist wenig bekannt, warum das Buch in Deutschland nicht vertrieben werden darf. Es geht hier um Pläne eines britischen Verlegers parallel zu diesem Buch auch Nazi - Zeitungen wieder publik zu machen, was sich in erster Linie an ein "weltanschaulich interessiertes Publikum" richten wird, dessen Auffassungen, hoffentlich in Deutschland nie wieder "mehrheitsfähig" werden. 

Die Verbreitung dürfte in der heutigen Zeit kaum noch den öffentlichen Frieden durch Verbreitung des Buches stören, § 166 I StGB, so dass auch eine Einziehung nach § 74 StGB als Strafvollstreckungsmaßnahme nach einer Verurteilung entfällt. Die Probleme liegen daher nicht im Strafrecht. 

Entgegen recht landläufigen Ansichten, ist mein "Mein Kampf" (12,5 Millionen verkaufte Exemplare in 16 Sprachen) in Deutschland nicht gesetzlich verboten, zumal ohnehin noch viele alte Exemplare im Umlauf sind. Es war und ist vielmehr so, dass wer diesen Text lesen will, an diesen Text auch in mehreren Sprachfassungen herankommen kann. Allerdings liegen die ausschließlichen Nutzungsrechte/Urheberrechte beim Freistaat Bayern (Finanzministerium) aus übergegangenem Recht des Eher - Verlages, der nach 1945 im Rahmen der insoweit stattgefundenen Entnazifizierung nach dem Kontrollratsgesetz Nr.2 abgewickelt worden ist, wobei Unklarheiten hinsichtlich des Rechtsüberganges und seinen Rechtswirkungen verbleiben. Einer Abmahnung des Freistaates aus dem Jahr 2006 lässt sich folgendes zur Rechtslage entnehmen:

"Im Rahmen der Entnazifizierung wurden aufgrund alliierten Besatzungsrechts (Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10.10.1945, Kontrollratsdirektive Nr. 50 vom 29.04.1947) die Vermögenswerte des Münchner Franz-Eher-Nachfolger-Verlags als Zentralverlag der NSDAP eingezogen und auf das Belegenheitsland übertragen. Inhaber des Copyrights aller im Eher-Verlag erschienenen Veröffentlichungen ist damit der Freistaat Bayern."

Bis zum Ablauf der 70jährigen Schutzfrist - § 64 UrhG - kann durch den Freistaat Bayern jeder Neudruck untersagt werden, was mit der einstweiligen Verfügung auch geschehen ist. Das Urheberrecht wird allerdings 2015 erlöschen und zwar exakt 70 Jahre nach Hitler's Tod am 30.04.1945, zum 01.01.2016. Dieses Datum ist rechtlich bindend, weil das Amtsgericht Berchtesgaden Hitler am 25.10.1956 für tot erklärt hat und dieses Datum der Entscheidung zugrundeliegt, ungeachtet weiterer Urteile, die sich mit seinem nach demn Kontrollratsgesetz Nr.2 beschlagnahmten Erbe beschäftigten.

Wenn der Freistaat Bayern nach 2015 eine Verbreitung neuer Ausgaben - auch in Internetmedien - verhindern will, besteht insofern ein schwieriger, rechtlich kaum einlösbarer Handlungsbedarf, sofern man nicht Auffassung vertritt, dass nichts diesen Text mehr entmystifizieren könnte als die Möglichkeit ihn zu lesen, was das Internet schon länger ermöglicht. Auf der anderen Seite ist die Lektüre für manche Leser sicher ohne Erläuterungen gefährlich und verstörend wie die unkommentierte Vorführung von "Jud Süss" oder "Kolberg" (sog. Vorbehaltsfilme, ebenfalls auf rein urheberrechtlicher Grundlage, überwacht durch die Friedrich-Wilhelm Murnau - Stiftung). Es handelt sich um schwierige Abwägungen, die nicht leicht fallen werden, wobei allerdings das Ende des Urheberrechtsschutzes eine feststehende Tatsache ist und ein Verbotsgesetz kaum verfassungskonform erlassen werden kann, weil es mit den Informationsgrundrechten kollidiert. 

Im vorliegenden Fall plante der seitens des Freistaates Bayern verklagte Verleger – insbesondere unter Berufung auf das urheberrechtliche Zitatrecht nach § 51 UrhG – in Deutschland kommentierte Auszüge aus „Mein Kampf“ zu verbreiten. Die Auffassungen, ob dies vom Zitatrecht gedeckt ist oder nicht gehen weit auseinander, jedenfalls hat der Freistaat Bayern als Inhaber der Rechte an „Mein Kampf“ hiergegen nun eine einstweilige Verfügung beantragt und auch erhalten: 

"Die 7. Zivilkammer gab dem Antrag statt. Zur Begründung verweist die Kammer darauf, dass die geplante Publikation nicht vom Zitatrecht gedeckt ist. Außerdem sieht die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass der Freistaat Bayern aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert wäre, den urheberrechtlichen Verbotsanspruch gegen die Antragsgegner durchzusetzen."


Beschluss des Landgerichts München I, Aktenzeichen: 7 O 1533/12; nicht rechtskräftig
Die Sache wird mutmaßlich ihren Fortgang durch die Instanzen nehmen.

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