Dienstag, 1. November 2011

OLG Frankfurt/Main: Perlentaucher revisited

Der Bundesgerichtshof hatte in Sachen www.perlentaucher.de (nach wie vor eine sehr lesenswerte Webpage mit täglichem Newsletter zum Bereich Belletristik und Literatur) nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Übersicht: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,732181,00.html). Die beiden Entscheidungen liegen des OLG Ffm. liegen jetzt vor. 

Es geht dabei um die Frage, ob und inwieweit es zulässig ist, Buchrezensionen komprimiert als abstract wiederzugeben. Der BGH hat die Auffassung vertreten, dass diese Vorgehensweise entgegen der Auffassungen der Klägerinnen zwar nicht generell urheberrechtswidrig ist, aber im Einzelfall durchaus eine Rechtsverletzung darstellen kann, je nachdem inwieweit die Buchrezensuion Urheberrechtsschutz genießt und der abstract den damit verbundenen Urheberrechtsschutz verletzt (sehr verkürzt dargestellt). 

Das OLG Frankfurt/Main hat die Einzelfälle nunmehr intensiv geprüft und vertritt die Auffassung, dass in einigen Fällen die textlichen Übernahmen so intensiv sind, dass eine Urheberrechtsverletzung wegen der Vornahme unfreier Bearbeitungen zu bejahen ist. Das OLG Frankfurt/Main betont aber in diesem Zusammenhang selbst, dass dies die Vorgehensweise selbst nicht generell in Frage stellt. Indessen ist mit einer Einzelfallprüfung anhand der BGH - Kriterien eine Rechtssicherheit nicht erreicht, da letztlich pro Zusammenfassung einer Rezension geprüft werden muss, ob dies eine "freie" oder "unfreie" Bearbeitung darstellt. 

Der Ruf nach dem Gesetzgeber verhallt in vielen Fällen ungehört, wenn keine entsprechende "Lobby" existiert. Zu bedenken ist aber generell, dass derartige Internetprojekte Buchautoren und Verlagen mehr nutzen als schaden und sich die Buchwelt mit der Digitalisierung sehr verändert hat. Es bleibt alles in der Schwebe des Einzelfalles!

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01.11.2011 - Pressemitteilung

In zwei Urteilen vom 1.11.2011 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) erneut über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen die komprimierte Wiedergabe von Buchrezensionen Dritter zulässig ist.

Die Klägerinnen verlegen namhafte Tageszeitungen, in denen auch Buchrezensionen veröffentlicht werden. 

Die Beklagte stellt auf ihrer Webseite "perlentaucher.de" Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vor und spricht Empfehlungen aus. Dabei veröffentlicht sie auch Buchrezensionen aus den von den Klägerinnen verlegten Zeitungen in komprimierter Fassung. Diese sog. "Abstracts" werden von den Mitarbeitern der Beklagten formuliert, enthalten aber einzelne Zitate und Passagen aus den Originalkritiken.
 
Die Klägerinnen halten dies für unzulässig und haben mit den vorliegenden Klagen in der Hauptsache ein generelles Verbot derartiger Abstracts verlangt, hilfsweise die Untersagung von Abstracts mit Originalzitaten sowie bestimmter konkreter Abstracts. Nach Ansicht der Klägerinnen verletzen die Abstracts wegen des Umfangs der Übernahme von Formulierungen aus den Originalrezensionen ihre Urheberrechte.

Das in erster Instanz zuständige Landgericht hatte die Klagen abgewiesen. Auch die dagegen eingelegten Berufungen hatten keinen Erfolg. Das OLG wies die Berufungen im Dezember 2007 zunächst vollständig zurück (vgl. OLG-Presseinformation vom 11.12.2007).

In der Revision bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Klägerinnen kein generelles Verbot der Verwendung ihrer Buchrezensionen verlangen können. Es sei urheberrechtlich grundsätzlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks in eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassungen zu verwerten. 

Anders als die Vorinstanzen vertrat der BGH aber die Auffassung, dass die Übernahme der Rezensionen im konkreten Einzelfall die Urheberrechte der Klägerinnen verletzten könnte. Der BGH hob deshalb die Berufungsurteile teilweise auf und wies das OLG an zu prüfen, ob die Verbreitung einzelner konkreter Abstracts der Beklagten das Urheberrecht der Klägerinnen verletzen.

In den aktuellen Berufungsurteilen kommt das OLG nunmehr zu dem Ergebnis, dass tatsächlich bestimmte Perlentaucher-Kritiken, die im Dezember 2004 erschienen waren und von den Klägerinnen konkret benannt werden, ihr Urheberrecht verletzten. Diese Abstracts bestünden mehr oder weniger aus einer Übernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen der Originalrezensionen, von denen lediglich einige Sätze ausgelassen worden seien. Sie stellten deshalb eine unzulässige "unfreie" Bearbeitung im Sinne des Urhebergesetzes dar und hätten ohne die Einwilligung der Klägerinnen nicht übernommen werden dürfen. In diesem - eingeschränkten - Umfang gab das Oberlandesgericht den Berufungen deshalb statt und änderte die vorausgegangenen Urteile des Landgerichts ab.

Die Verurteilung der Beklagten lässt keine allgemeine Aussage darüber zu, in welchem Umfang die Übernahme von Buchrezensionen urheberrechtlich zulässig ist. Jede Übernahme oder Verarbeitung muss vielmehr im Einzelfall daraufhin überprüft werden, ob sie eine zulässige freie Bearbeitung des Originaltextes darstellt.

Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig und können in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abgerufen werden.

OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 1.11.2011, Aktenzeichen 11 U 75/06 und 11 U 76/06
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteile vom 23.11.2006, Aktenzeichen 2-3 O 171+172/06; OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 11.12.2007, Aktenzeichen 11 U 75/06 und 11 U 76/06; BGH, Urteile vom 1.12.2010, Aktenzeichen I ZR 12+13/08)

Pressestelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main

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